Wir hatten ja bereits einen ähnlichen Thread, der sich mit Kenny beschäftigte. Dieses Mal muß ich in Hinblick auf die vergangene Entwicklung von Cartman in eine ähnliche Bresche springen.
Wie in meinem Usergalerie-Profil ersichtlich ist, war Cartman mal mein Lieblingscharakter (und gesamt gesehen ist er das immer noch, aber nicht mehr lange). Das hat sich jedoch so um Staffel 8 herum geändert, weil von da an Cartman eigentlich immer uncooler geworden ist.
Der frühe Eric war zwar boshaft und gemein, aber immer noch witzig in seiner Art, andere niederzumachen, und zum Anfang der Serie schien er auch ein eigentlich guter Freund der anderen drei Hauptdarsteller zu sein, wohl wegen eben seiner Eigenart, eine unglaubliche Dreistigkeit an den Tag zu legen und den Jungs damit Tür und Tor für ihre Abenteuer zu öffnen. Früher konnten auch alle über seine Witze lachen, während Stan und Kyle heutzutage nur noch neben ihm stehen und 'ne Fresse ziehen.
Nach Scott Tenorman must die war allen Zuschauern klar, daß mit Cartman nicht zu spaßen ist, ganz getreu dem Motto "one can only push a man so far". Das war der Cartman, der in Höchstform seine Rolle in der Serie definiert hatte - das wandelnde Böse in der Gestalt eines fetten Neunjährigen. Immerhin gehört die Folge auch hier im Forum zu den beliebtesten der ganzen Serie, vermutlich deswegen, weil sich eine Hauptfigur so definiert hat, wie es Cartman getan hat.
Nach der erwähnten Folge jedoch gab es eigentlich keine derartige Situation mehr, aus der Cartman nur mit seiner kriminellen Energie herausgekommen wäre. Tssst! war so eine, auch wenn Cartman im Verlauf dieser Folge eigentlich schon verloren hatte, was in Scott Tenorman nicht der Fall war.
Aus dem kleinen Teufel, mit dem es sich nicht verscherzen sollte, ist ein albernes Weichei geworden, mit dem jeder machen kann, was er will. Kyle zerstört seine Sachen, Wendy reißt ihm den Arsch auf, Faith+1 reißen ihm den Arsch auf, die Jungs verwandeln ihn in ein Ginger Kid, kurzum: Jeder springt mit dem einstmals so fiesen, hinterhältigen Cartman um, wie er lustig ist, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Das liegt mitunter auch daran, daß Cartman immer weicher dargestellt wird. Anstatt auf Gewalt und Intrigen setzt er jetzt auf seine verquerte Art der Diplomatie, scheitert damit aber grundsätzlich. Ob er nun sich selbst niedermacht, indem er seine Unterhose ißt, von Kyle gerettet werden muß, bevor er seine Tourette-Rede halten muß, oder selbst mit Waffengewalt nicht verhindern kann, daß Family Guy ausgestrahlt wird - Cartman redet zu viel und tut zu wenig. Und wenn er doch mal in eine ausweglose Situation kommt (die es früher für Cartman nicht gegeben hätte!), kommt wieder eine der Heulszenen mit seiner Mutter, und mich überkommt das blanke Kotzen.
Cartman ist nicht mehr das, was er damals war. Scheinbar scheint das den Storyschreibern zugute zu kommen, da er heute schon eine Art Antagonisten der Serie darstellt. Damals waren die vier Jungs immer zusammen in ihre Geschichten verwickelt, oder wenigstens Kenny war an Cartmans Seite. Da mußte man sich eben andere Gegenspieler oder Plots ausdenken, mit denen es die die Vier in der Folge zu tun bekamen. Darum waren die Episoden auch verrückter, überraschender und, wie ich finde, lustiger.
Was ich meine: Ich finde es an South Park fesselnder, wenn Cartman von seinem Mäppchen eingesogen und in ein riesiges Monstrum verwandelt wird oder wenn er die Männer South Parks besoffen in die Schlacht führt, als wenn er die Absetzung einer Serie verhindern oder ein Penisfoto mit Butters machen will. Das heißt nicht, daß diese Folgen nicht auch sehr gut sein können, aber heutzutage muß ich öfter auf die Perlen wie Go God Go oder Imaginationland warten, in denen etwas Großartiges passiert.
Um das zusammenzufassen: South Park hat sich (naturgemäß) geändert, und am deutlichsten sieht man das an seinem charismatischsten Hauptdarsteller. Die Geschehnisse sind etwas realistischer, weniger absurd und schräg geworden, und da paßt es nur zu gut, daß auch Cartman mehr weltliche Schwächen zeigt. Aber daß er im Zuge der Neudefinierung South Parks nun seine ganze Hinterhältigkeit, die ihn früher so ausgezeichnet hat, gegen eine sinnlose Arschloch-Attitüde eingetauscht hat, mißfällt mir sehr. Und gerade die letzte Folge Breast Cancer Show ever hat das ein weiteres Mal deutlich gemacht. Cartman hat die Quittung für seine ihm aufdiktierte, neue Art erhalten - ich hoffe, daß es erst einmal dabei bleibt und er nun endlich mal wieder "mitmachen" darf, anstatt immer nur den zwangsbösen Anticharakter geben zu müssen.
Jesus hat vorhin im Chat gefragt, ob es denn nicht schon genug Cartman-Threads gäbe. Dieser hier brannte mir jedoch schon einige Zeit auf der Seele, deswegen würde ich mich über eine anständige Diskussion zu dem Thema freuen.